Verfassungsmäßigkeit
Solidaritätszuschlag verfassungsmäßig!
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofes ist der Solidaritätszuschlag in den Jahren 2021 und 2022 „noch nicht verfassungswidrig“. Er möchte die Frage auch nicht dem Bundesverfassungsgericht vorlegen, da er „nicht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt“ ist und einen wiedervereinigungsbedingten Finanzbedarf des Bundes auch in den Jahren 2020 und 2021 weiterhin als gegeben ansieht. Das Urteil befaßt sich eingehend mit den einschlägigen Normen des Grundgesetzes und wer sind wir, daß wir trotzdem mit einem schalen Gefühl zurückbleiben angesichts des Segens für eine weitere Sondersteuer, die, einmal eingeführt, offensichtlich nicht tot zu kriegen ist (BFH, Urteil vom 17.01.2023, Az. IX R 15/20, DStR 5/2023, s. 190)?
Säumniszuschlag verfassungsmäßig?
Hier geht es in der Rechtsprechung des BFH derzeit bunt durcheinander. Ein Senat sieht ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Zuschlages von immerhin 1% je angefangenem Monat der Säumnis, der andere nicht. Da trotz diverser Verfahren die Steuerbescheide im Hinblick auf den Säumniszuschlag nicht vorläufig ergehen, müssen Einwendungen gegen die Festsetzung auf dem individuellen Rechtsweg erfolgen, d.h. durch Beantragung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 218 Abs. 2 AO, Einspruch gegen diesen und Antrag auf Ruhen des Verfahrens mit Bezug auf eines der beim BFH anhängigen Verfahren (z.B. BFH, Beschluß vom 23.05.2022, Az. V B 4/22 (AdV), DStRK 17/2022 S. 238, die Verfassungswidrigkeit ablehnend hingegen BFH, Beschluß vom 28.10.2022, Az. VI B 15/22 (AdV), DStRK 24/2022 S. 335).
Abgeltungsteuer vor dem Verfassungsgericht
Das FG Niedersachsen hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob der ermäßigte Steuersatz von 25% bei der Besteuerung von Kapitalerträgen verfassungsmäßig ist oder nicht. Nach Auffassung des FG Niedersachsen ist die Abgeltungsteuer verfassungswidrig. Der BFH hat bisher noch keine Zweifel an der Abgeltungsteuer geäußert und das Bundesverfassungsgericht noch keine hierauf gerichtete Klage angenommen (FG Niedersachsen, Beschluß vom 18.03.2022, 7 K 120/21, DStRK 11/2022, S. 145).
GmbH-Geschäftsführer und Arbeitnehmer
Übernommene Lohnsteuer aufgrund Haftung als Werbungskosten abzugsfähig
Wird der Geschäftsführer einer GmbH für nicht abgeführte Lohnsteuern der GmbH persönlich in Haftung genommen, so kann er die Steuernachzahlungen als Werbungskosten geltend machen. Das gilt sogar für seine eigene Lohnsteuer (BFH, Urteil vom 08.03.2022, Az. VI R 19/20, DStRK 18/2022 S. 243).
Verluste aus Darlehensgewährung an GmbH abzugsfähig
Gewährt der Geschäftsführer seiner GmbH ein Darlehen und verzichtet im Rahmen einer Sanierung der Gesellschaft ganz oder teilweise auf seine Forderung, so kann der hieraus entstehende Verlust unter bestimmten Umständen als Werbungskosten steuerlich abzugsfähig sein (FG München, Urteil vom 17.02.2022, Az. 11 K 2371/18, Revision eingelegt, Az. BFH VIII R 8722, DStRE 23/2022 S. 1415).
Abfindung aufgrund von „Sprinterklausel“ auch steuerlich begünstigt
Abfindungen, das Thema gibt es eigentlich nicht in der Denkwelt der Beamten. Wenn nun ein Arbeitnehmer noch einen Aufschlag auf seine Abfindung bekommt, weil er das Angebot schnell annimmt (sogenannte „Sprinterklausel“), soll er dafür auch den begünstigten Steuersatz erhalten? Nein, meinten die Beamten. Doch, meinte das Finanzgericht Hessen (Urteil vom 31.05.2021, Az. 10 K 1597/20, rechtskräftig, DStRE 13/2022 S. 780).
Zweitwohnungssteuer für auswärtige Dienstwohnung abzugsfähig
Ärgerlich genug, wenn man diese Steuer überhaupt zahlen muß. Das Finanzamt wollte den Abzug der Steuer mit dem Argument verwehren, die Steuer gehöre zu den Unterkunftskosten, die mit einem Höchstbetrag von EUR 1.000 im Monat gedeckelt sind. Das Finanzgericht München hatte Gnade mit dem Steuerzahler und entschied, daß die Steuer neben den Unterkunftskosten in vollem Umfang abzugsfähig ist (FG München, Urteil vom 26.11.2021, Az. 8 K 2143/21, Revision eingelegt, DStRE 9/2022 S. 516).
Immobilien
Kaufpreisaufteilung bei Renditeimmobilien
Nach einem neuen Urteil des BFH ist die Aufteilung eines Kaufpreises für eine Renditeimmobilie nach den Grundsätzen des Ertragswertverfahrens sachgerecht. Die Finanzämter möchten die Aufteilung in der Regel nach dem Sachwertverfahren durchführen, was zu absurd hohen Anteilen für den nicht abschreibungsfähigen Grund und Boden führt (BFH, Urteil vom 20.09.2022, Az. IX R 12/21, DStRK 2/2023 S. 19).
Privat genutzte Wohnung und Spekulationsbesteuerung
Die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung unterfällt nicht der Spekulationsbesteuerung, Veräußerungsgewinne für das Eigenheim bleiben also steuerfrei. Aber Achtung: Wird eine Wohnung, etwa in einer Universitätsstadt, dem eigenen Kind mietfrei überlassen, so gilt die Steuerbefreiung nicht, jedenfalls soweit das Kind älter als 25 Jahre ist (BFH, Urteil vom 24.05.2022, Az. IX R 28/21, nicht veröffentlicht, DStRK 1/2023 S. 6). Ebenso fällt die Steuerbefreiung weg, wenn die Wohnung, etwa aufgrund einer Scheidungsfolgevereinbarung, der ehemaligen Ehefrau mietfrei zur Verfügung gestellt wird (FG Münster, Urteil vom 19.05.2022, Az. 8 K 19/20 E, Revision eingelegt, Az. BFH IX R 10/2022, DStRE 15/2022 S. 909).
Abfindungen an weichende Mieter
Bei Abfindungen an weichende Mieter ist der steuerliche Abzug in Gefahr, wenn sie in engem Zusammenhang mit dem Erwerb und einer nachfolgenden Modernisierung eines Objektes gezahlt werden. In diesen Fällen können sie den sogenannten anschaffungsnahen Herstellungskosten zugerechnet werden und sind dann nur noch im Wege der Abschreibung (i.d.R. 2% per anno) abzugsfähig (FG Münster, Urteil vom 12.11.2021, Az. 4 K 1941/20 F, Revision eingelegt, Az. BFH IX R 29/21, DStRE 22/2022 S. 1353).
Freiberufler
Arbeitsteilung bei Freiberuflern kann zu Gewerbebetrieb führen
Ein rein interne organisatorische Aufgabenteilung in einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis kann nach einem neuen Urteil des FG Rheinland-Pfalz (Az. 4-K-1270/19) dazu führen, daß die gesamte Praxis als Gewerbebetrieb einzustufen (und damit gewerbesteuerpflichtig) ist. Das soll der Fall sein, wenn einer der Ärzte so gut wie ausschließlich für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist und nur noch in geringem Umfang eigene ärztliche Leistungen erbringt. Die Zahnärzte haben gegen das Urteil natürlich Revision eingelegt (Az. VIII R 4/22 beim BFH).
Aufnahme von Gesellschaftern ohne Kapitalbeteiligung kann zu Gewerbebetrieb führen
Auch die oft von beiden Seiten gewünschte Aufnahme neuer Gesellschafter in eine freiberufliche Praxis ohne Kapitalbeteiligung kann zur Gewerblichkeit der gesamten Praxis führen. Nach einem aktuellen Urteil des FG Münster war die neue Kollegin nicht mit ausreichenden Mitspracherechten ausgestattet und trug auch kein ausreichendes unternehmerisches Risiko (FG Münster, Urteil vom 26.11.2021, Az. 1 K 1193/18 G, F, rechtskräftig, DStRE 2/2023 S. 73). Folge: Gewerbesteuer auf die gesamten Praxiseinkünfte.
High Tech und Freiberuflichkeit
Mit dem Wandel der Technik ändert und erweitert sich das Berufsbild des Freiberuflers, auch wenn manches Finanzamt es noch nicht so recht wahrhaben will. So mußte das Finanzamt zähneknirschend einsehen, daß ein sogenanntes „Rendering-Büro“, d.h. ein auf die Visualisierung von Bauprojekten spezialisiertes Architektenbüro, eine vollwertige freiberufliche Tätigkeit ausübt (FG Köln, Urteil vom 21.04.2021, Az. 9 K 2291/17, DStRE 12/2022 S. 721). In einem anderen Fall wollte das Finanzamt nicht einsehen, daß ein Disc Jockey, der die vorgespielten Musikstücke durch Vermischung und Bearbeitung verfremdet („Scratching“), eine eigenschöpferische Leistung erbringt und somit als Künstler anzusehen ist (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.08.2021, 11 K 2430718 G, rechtskräftig, DStRE 17/2022 S. 1042).
Bilanzierung
Abzinsungsgebot für Verbindlichkeiten aufgehoben
In Zeiten niedriger Zinsen wurde, in Unternehmensverbünden wie auch bei inhabergeführten Unternehmen, auf eine Verzinsung von Verbindlichkeiten oft verzichtet. Für länger laufende Verbindlichkeiten war das steuerlich mit einer Abzinsungsverpflichtung verbunden. Dies führte dazu, daß im Jahr der Darlehensaufnahme ein Abzinsungsertrag zu zeigen war, der in der Folge durch entsprechende Aufzinsungen wieder zu neutralisieren war. Im Ergebnis viel Rechnerei, Vorverlagerung rein artifizieller Erträge mit Zinsen auf entsprechende Steuernachzahlungen. Diese Rechtslage gehört mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz der Vergangenheit an. Von hier aus vielen Dank an den Gesetzeber! (DStR 36/2022 S. 1869). Da ist es auch nicht mehr so ärgerlich, daß das FG Münster den über viele Jahre utopisch hohen Abzinsungssatz von 5,5% als verfassungsmäßig befunden hat. Das ist jetzt Schnee von gestern (FG Münster, Urteil vom 22.07.2021, Az. 10 K 1707/20 E, G, rechtskräftig, DStRE 20/2022, S. 1217).
Passivierung von Steuerrückstellungen wegen Betriebsprüfung
Kommt eine Betriebsprüfung und stehen Steuernachzahlungen ins Haus, stellt sich die spannende Frage, in welchem Jahr etwa zu erwartende Steuernachzahlungen auf die Bilanz zu nehmen sind. Denkbar sind sowohl das Jahr der wirtschaftlichen Veranlassung als auch das Jahr des Aufgriffs der Angelegenheit durch die Betriebsprüfung. Das FG Münster hat in einem aktuellen Fall die Position bezogen, daß eine Rückstellung erst dann gebildet werden können, wenn die Betriebsprüfung einen Anspruch erhebt. In dem Fall wurde allerdings Revision eingelegt, so daß der BFH die Gelegenheit haben wird, die Sache noch einmal zu überprüfen (FG Münster, Urteil vom 24.06.2021, Az. 10 K 2084718 K, G, DStRK 17/2022 S. 225, besprochen auch von Eggert in BBK Nr. 1/2022 vom 07.01.2022 S. 16).
Kapitalanleger
Eingeschränkte Verlustverrechnung – Bescheide ergehen vorläufig
Wir hatten darüber berichtet, der BFH mit Beschluß vom 17.11.2020 (Az. VIII R 11/18) dem Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvL 3/21) die Vorschrift des § 20 Absatz 6 Satz 5 EStG zur Prüfung vorgelegt hat, nach welcher Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit sonstigen positiven Kapitaleinkünften (z.B. Zinsen, Dividenden) verrechnet werden dürfen. Wegen der Vielzahl von Einsprüchen werden betroffene Steuerfestsetzungen ab 2009 jetzt nur noch vorläufig erlassen.
Entschädigungszahlungen für Beratungsfehler steuerpflichtig
Entschädigungszahlungen, die ein Anleger etwa von seiner Bank aufgrund von Beratungsfehlern im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage erhält, sind steuerpflichtig, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang mit einer konkreten einzelnen Transaktion besteht (FG Hessen, Urteil vom 07.06.2021, Az. 11 K 1725/16, rechtskräftig, DStRE 13/2022 S. 776).
Umsatzsteuer
Keine Mehrsteuer trotz überhöhtem Rechnungsausweis
Normalerweise gilt bei der Umsatzsteuer der Grundsatz, daß der auf der Rechnung ausgewiesene Steuerbetrag an das Finanzamt abgeführt werden muß, auch wenn er überhöht ist. In einem aktuellen Urteil hat der EuGH hiervon eine sehr zu begrüßende Ausnahme gemacht. Ein Indoor-Spielplatz hatte auf seinen Rechnungen versehentlich den Regelsteuersatz anstatt des ermäßigten Steuersatzes ausgewiesen, insgesamt auf nahezu 23.000 Rechnungen. Da bei den Rechnungen aber nicht die Gefahr bestand, daß die Kunden einen Vorsteuerabzug geltend machten (Indoor-Spielplätze sind reines Privatvergnügen), hat der EuGH entschieden, daß der Indoor-Spielplatz dem Finanzamt trotz höherem Rechnungsausweises nur den ermäßigten Steuersatz schuldet. Ein großzügiges Urteil, dessen Anwendung aber auf reine Endverbraucherfälle beschränkt bleiben dürfte (EuGH, Urteil vom 08.12.2022, Az. C-378/21, P-GmbH, DStRK 2/2023 S. 24).
Kriminelles Handeln des Lieferanten darf nicht zu Lasten des Abnehmers gehen
Es soll vorkommen, daß Unternehmen in Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten treten, deren steuerliche Seriosität nicht über alle Zweifel erhaben ist. Die Frage im vorliegenden Fall lautete: Muß ein Abnehmer wissen, daß der Lieferant die Umsatzsteuer auf einen Verkauf nicht beim Finanzamt abliefert? Das Finanzamt meinte ja, und wollte dem Abnehmer deshalb den Vorsteuerabzug auf die betreffenden Rechnungen nicht gewähren. So einfach geht das nicht, sagt das FG Berlin-Brandenburg in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Nach Auffassung des Finanzgerichtes muß das Finanzamt in solchen Fällen nachweisen, daß der Abnehmer das kriminelle Verhalten des Lieferanten erkannt und in Kauf genommen hat (sogenannter („bedingter Vorsatz“) (FG Berlin-Brandenburg, Beschluß vom 05.07.2021, 7 V 7073/21, rechtskräftig, DStRE 13/2022, Seite 787).
Zahlungsschwierigkeiten des Lieferanten dürfen nicht zu Lasten des Abnehmers gehen
Noch frecher als im vorigen Fall war ein anderes Finanzamt. Da war der Lieferant noch nicht einmal kriminell, sondern nur in Zahlungsschwierigkeiten. Aber die Logik war dieselbe. Wenn wir unsere Umsatzsteuer nicht bekommen, dann soll der Abnehmer bitte auch keine Vorsteuererstattung bekommen. Dieser Fall ist bis zum Europäischen Gerichtshof gegangen. Dieser hat glücklicherweise entschieden, daß dem Abnehmer der Vorsteuerabzug nicht verwehrt werden kann, selbst wenn er Kenntnis von den Zahlungsproblemen des Lieferanten hat (EuGH, Urteil vom 15.09.2022, Az. C 227/21, UAB „HA.EN.“, DStRE 20/2022, S. 1259).
Finanzamt muß auch ein bißchen mitarbeiten
Nachsicht mit einem von der Bürokratie übermannten Steuerzahler hatte das FG Köln. Der Steuerzahler hatte in seinem Umsatzsteuervergütungsantrag nicht Zeile für Zeile säuberlich alle abgefragten Eintragungen gemacht, aber seinem Antrag alle notwendigen Belege beigefügt. Das Finanzamt behauptete, durch die fehlenden Eintragungen sei ihm die Arbeit „unzumutbar erschwert“ worden. Das hat das Gericht aber nicht gelten lassen, die Vergütung der Vorsteuer gewährt und die Revision nicht zugelassen (FG Köln, Urteil vom 16.03.2022, 2 K 2086/21, DStRE 24/2022 S. 1522). Das Finanzamt findet das alles noch immer unzumutbar und hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. BFH XI B 34/22).
Steuerstrafrecht
Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch Fahndungsprüfer
Die unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch Fahndungsbeamte im Rahmen des regulären Besteuerungsverfahrens ist rechtswidrig, wenn der Steuerpflichtige bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt. Im Urteilssachverhalt ging es um ein häusliches Arbeitszimmer, für das der Kläger Kosten von sage und schreibe 500 EUR geltend gemacht hatte. Der BFH stellte fest, daß ein Besuch der Steuerfahndung gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe, zumal der Steuerpflichtige sich im bisherigen Verfahren stets kooperativ verhalten habe. Das Urteil ist sehr zu begrüßen, denn die Realität zeigt, daß Vermerke der Steuerfahndung in der Steuerakte den Steuerpflichtigen schnell in ein schlechtes Licht rücken können, auch wenn er sich nichts hat zuschulden kommen lassen (BFH, Urteil vom 12.07.2022, Az. VIII R 8/19, DStRK 22/2022, S. 308).
Fortgesetzte Steuerhinterziehung durch Erben
Nicht selten kommt es vor, daß ein Nachlaß auch „schwarze“ Vermögensteile enthält, z.B. ein Wertpapierdepot in Liechtenstein. In solchen Fällen sind die Erben zur Nacherklärung verpflichtet und machen sich selbst der Steuerhinterziehung schuldig, wenn sie eine Nacherklärung unterlassen. Fraglich ist in diesen Fällen oft, wie weit zurück in die Vergangenheit eine Berichtigung erfolgen kann. In einem aktuellen Urteilsfall hat der Bundesfinanzhof nun klargestellt, daß die Erben zusammen mit dem unerklärten Vermögen auch die für die Hinterziehung laufenden Festsetzungsfristen sowie hiermit in Verbindung stehende sogenannte Ablaufhemmungen erben. Dies kann, wie im Urteilsfall geschehen, dazu führen, daß im Jahr 2016 noch Steuerfestsetzungen für die weit zurückliegenden Jahre 1995 bis 2001 vorgenommen werden konnten (BFH, Urteil vom 21.06.2022, Az. CVIII R 26/19, DStRK 1/2023. S. 149).
Tiefschlaf des Finanzamtes darf nicht zu Lasten des Steuerzahlers gehen
Da hatten ein Steuerzahler und sein zuständiges Finanzamt zwanzig Jahre lang geschlafen und nicht gemerkt, daß die Vermietung von mehr als 100 Garagen und Stellplätzen der Umsatzsteuer unterliegt. Der Steuerzahler hatte immer brav seine Einkommensteuererklärung abgegeben, aber keine Umsatzsteuererklärung. Als dem Finanzamt ein Licht aufging, bezichtigte es den Steuerzahler der Steuerhinterziehung, mit dem offensichtlichen Motiv, die verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren nutzen zu können. Das FG Düsseldorf machte dem Finanzamt einen Strich durch die Rechnung. Denn anhand der vorliegenden Einkommensteuererklärungen hätte das Finanzamt unschwer erkennen können, daß eine umsatzsteuerpflichtige Betätigung vorgelegen habe (FG Düsseldorf, Urteil vom 26.05.2021, 5 K 143/20 U, rechtskräftig, DStRE 12/2022, Seite 754).
Internationales Steuerrecht
Finale Betriebsstättenverluste gehen verloren
Eine jahrelang streitige Frage wurde jetzt vom Europäischen Gerichtshof endgültig entschieden. Erleidet ein z.B. deutsches Unternehmen einen Verlust aus einer Fehlinvestition in eine Betriebsstätte in einem anderen EU-Staat, so gehen diese Verluste mit Beendigung der Tätigkeit auch für das Mutterhaus endgültig verloren. Dies folgt aus dem sogenannten Freistellungsprinzip, nach dem die Gewinne aus einer solchen ausländischen Betätigung am Hauptsitz des Unternehmens steuerfrei bleiben sollen. Im Verlustfall wird das, was eigentlich als Begünstigung vorgesehen ist, also zur Benachteiligung für den Investor (EuGH, Urteil vom 22.09.2022, Az. C-538/20, W AG, DStRK 21/2022 S. 281).
Aus dem Leben
Rentenbeginn bei aufgeschobener Altersrente
Wer über die eigentliche Altersgrenze hinaus arbeitet, kann hierdurch einen steuerlichen Nachteil erleiden. Dies jedenfalls in den Fällen, in denen in Absprache mit dem Versicherungsträger der Rentenbeginn auf einen späteren Zeitpunkt aufgeschoben wird. In diesen Fällen wird der Besteuerungsanteil für die Rente nach dem (späteren) Jahr des eigentlichen Rentenbeginns bestimmt. Da der Besteuerungsanteil (2023 bei 83%) bis zum Jahr 2040 sukzessive weiter bis 100% ansteigen wird, wird die aufgeschobene Rene zu einem höheren Anteil besteuert.
Abzug von Kosten bei Pflege Angehöriger
Pflegende Angehörige sollen ihre Kosten ohne großes Tamtam steuerlich absetzen können. Das hat der BFH mit seinem Urteil vom 12.04.2022 (Az. VI R 2/20, DStRK 17/2022 S. 226) nochmals klargestellt. Das Finanzamt hatte sich daran gestört, daß der ambulante Pflegedienst seine Rechnung auf die (gepflegte) Mutter ausgestellt hatte, obwohl die Tochter gezahlt hatte. Das Finanzgericht hatte beanstandet, daß die Pflegeleistungen nicht in der Wohnung der Tochter, sondern der Mutter erbracht wurden. Alles Unsinn, sagt der BFH.
Kein Abzug von Unterhaltsaufwendungen für geduldete Angehörige
Nicht so großzügig war der BFH in einem Urteil betreffend Unterhaltsleistungen für Angehörige, die nur noch deshalb in Deutschland sind, weil deren Abschiebung ausgesetzt wurde. Das Abzugsverbot gilt selbst für den Fall, daß sich der Angehörige gegenüber der Ausländerbehörde verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt dieser Angehörigen zu tragen. Das ist eine harte Entscheidung und mit etwas großzügiger Auslegung hätte sie wohl auch anders getroffen werden können (BFH, Urteil vom 02.12.2021, Az. VI R 40/19, DStRE 9/2022 S. 529).
Kosten für ein Hausnotrufsystem steuerlich abzugsfähig
Das Finanzamt wollte einer alleinstehenden Rentnerin die Kosten für ein Notrufsystem, das in Notsituationen rasch Hilfe durch den automatisch informierten Notdienst beschafft, mit fadenscheiniger Begründung nicht anerkennen. Das FG Baden-Württemberg hat das anders gesehen und den Abzug zugelassen (Urteil vom 11.06.2021, Ar. 5 K 2380/19, DStRE 12/2022 S. 733). Das Finanzamt bleibt ungnädig und hat Revision eingelegt (Az. BFH VI R 14/21).
Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal
Die Frage, in welcher Höhe Kosten für ein Grabdenkmal für Zwecke der Erbschaftsteuer abzugsfähig sind, richtet sich nach einem aktuellen Urteil des BFH danach, was nach den „in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen“ zu einer würdigen Bestattung gehört. Das kann unter Umständen auch ein Mausoleum sein, dessen Kosten einen bedeutenden Teil des gesamten Nachlasses ausmachen (BFH, Urteil vom 01.09.2021, Az. II R 8/20, DStRK 11/2022 S. 148).
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