Sind steuergünstige Gestaltungen per se verboten?
Wenn sich ein Steuerzahler oder sein Berater eine gute steuerliche Idee einfallen läßt, versuchen die Finanzämter gerne, diese mit dem Hinweis auf § 42 Abgabenordnung, den berühmten „Mißbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten“, auszuhebeln. Nach § 42 AO liegt ein Missbrauch vor, „wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die (…) im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt.“ Aber wie hatte es einer unserer verehrten früheren Chefs einmal so schön gegenüber einem Betriebsprüfer formuliert: „§ 42 AO verpflichtet unseren Mandanten nicht, die ungünstigste steuerliche Gestaltung zu wählen.“ Das hatte gesessen. In diese Richtung geht auch ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Hessen (Urteil vom 29.11.2017 – 4 K 127/15, Revision eingelegt BFH 1 R 2/18). Eine profitable Kapitalgesellschaft wurde auf eine Verlustgesellschaft verschmolzen. So konnten die Verlustvorträge erhalten werden. Wäre die Verschmelzung in umgekehrter Richtung erfolgt, wären die Verlustvorträge verlorengegangen. Das hatte dem Finanzamt natürlich nicht gefallen, weshalb es „Gestaltungsmißbrauch“ vermutete und die Verlustvorträge einkassieren wollte. Das Finanzgericht führte aber aus, daß allein das Motiv, Steuern zu sparen, die gewählte Gestaltung nicht als mißbräuchlich qualifizieren kann. Eine rechtliche Gestaltung ist vielmehr erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. Eine angemessene Gestaltung ist nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien tendenziell eher einfach, zweckmäßig, übersichtlich und ökonomisch, eine unangemessene Gestaltung hingegen eher unwirtschaftlich, umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv oder widersinnig.
Insolvenz – Finanzamt kann nach Restschuldbefreiung zugreifen
Ist Einkommensteuer im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit entstanden, aber vom Insolvenzverwalter aufgrund von Masseunzulänglichkeit nicht beglichen worden, darf das Finanzamt die Steuerschuld nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit Erstattungsansprüchen des ehemaligen Insolvenzschuldners verrechnen, auch wenn dem Insolvenzschuldner nach Abschluß des Verfahrens Restschuldbefreiung erteilt worden ist (BFH, Urteil v. 28.11.2017 – VII R 1/16). Solche Fälle können sich ergeben, wenn durch Verwertung der Insolvenzmasse Einkommensteuern entstehen, z.B. aufgrund des Verkaufs einer Immobilie innerhalb der Spekulationsfrist. Der Bundesfinanzhof argumentiert, daß die Restschuldbefreiung nur für Verbindlichkeiten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nicht aber für im Laufe des Insolvenzverfahrens eingetretene Verbindlichkeiten geltend gemacht werden kann. Diese spannende Frage wurde bisher vom höchsten deutschen Zivilgericht, dem Bundesgerichtshof, allerdings noch nicht geklärt (siehe z.B. BGH-Urteil v. 28.06.2007 – IX ZR 73/06, in dem diese Frage ausdrücklich offen gelassen wurde). Auch steht der Verrechnung nach Ansicht des BFH keine etwaige „Haftungsbeschränkung“ für Insolvenzverbindlichkeiten entgegen. Nach der vom BGH entwickelten und im Schrifttum nahezu einhellig unterstützten Rechtsprechung zur Haftungsbeschränkung von Masseverbindlichkeiten dürfen Verbindlichkeiten, welche erst im Laufe des Insolvenzverfahrens entstanden sind, nur aus der Insolvenzmasse beglichen und dem Insolvenzschuldner nicht zusätzlich aufgebürdet werden. Der Bundesfinanzhof will diese Rechtsprechung aber nicht anwenden. Das bedeutet, daß die Keule des Finanzamts auch nach sauberem Abschluß einer Insolvenz mit Restschuldbefreiung noch zuschlagen kann. Ein wirtschaftlicher Neuanfang, wie ihn das Insolvenzrecht mit der Restschuldbefreiung eigentlich bezweckt, wird damit unterlaufen.
Auch der Bundesfinanzhof kritisiert die Schätzungspraxis von Betriebsprüfern
In der Betriebsprüfung von bargeldintensiven Betrieben (z.B. Gastronomie, Einzelhandel) werden die Betroffenen nicht selten mit pauschalen „Sicherheitszuschlägen“ zum Umsatz und Gewinn konfrontiert. Die Prüfer akzeptieren die angegebenen Umsätze nicht und setzen oft empfindliche Zuschläge fest, ohne diese näher zu begründen. Hierbei können sich die Prüfer sogar auf zum Teil recht finanzamtsfreundliche Rechtsprechung mancher Finanzgerichte berufen. Nun hat sich der BFH diese Rechtsprechung einmal vorgenommen (Urteil vom 23.02.2018 – X B 65/17, auch schon Urteil vom 20.03.2017 – X R 11/16): Eine griffweise Schätzung wie z.B. der „Sicherheitszuschlag“ ist diejenige Schätzungsmethode mit der größten Unsicherheit und darf daher allenfalls nachrangig gegenüber anderen Methoden angewandt werden. Ein Sicherheitszuschlag muss außerdem hinreichend begründet sein und betriebliche Besonderheiten dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Ein interessanter Beitrag zu dieser Thematik findet sich auch in der aktuellen Fachliteratur (Beyer, Der Betrieb 2018, S. 985).
Ausgaben für Erststudium als Werbungskosten?
Das Bundesverfassungsgericht muß sich wegen entsprechender Vorlagen des Bundesfinanzhofes mit der Frage befassen, ob die Kosten für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium als Werbungskosten abgezogen werden können oder nicht. Die Regelung des § 9 Absatz 6 EStG verbietet nach derzeitigem Recht den Abzug, was nach Ansicht einiger Kläger verfassungswidrig ist. Auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) nun im Rahmen eines Gutachtens zu dieser Frage Stellung genommen. In ihrer Stellungnahme unterstützt die BRAK nach eingehender Prüfung die vom Bundesfinanzhof vertretene Auffassung, das Verbot des Abzugs der Kosten für die Erstausbildung sei ein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz. Das ist eine gute Nachricht für die Betroffenen und hoffentlich auch ein weiterer Schritt in Richtung Abschaffung des ungerechten § 9 Absatz 6 EStG, dessen einziger Zweck in der Schonung der Staatskasse besteht. Die Stellungnahme mit der Nummer 11/2018 ist auf der Homepage der BRAK veröffentlicht.
Die Grundsteuer ist verfassungswidrig
Zu diesem Ergebnis kam das BVerfG in seinem Urteil vom 10.04.2018 (1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12). Die Folge dürfte sein, dass insbesondere in Ballungsräumen die vom Gericht in ihrer derzeitigen Form verworfene „Einheitsbewertung“ förmlich explodieren wird. Die Frage ist, ob dies auch auf die Grundsteuer durchschlagen wird. Eine Explosion der Grundsteuer könnte recht einfach verhindert werden, wenn die Gemeinden ihre Grundsteuer-Hebesätze entsprechend nach unten korrigieren würden, denn die Grundsteuer ist das simple Produkt aus Einheitswert und Hebesatz. Insbesondere finanzschwache Kommunen werden aber möglicherweise die Gelegenheit nutzen, um ihr Steueraufkommen zu erhöhen. Das würde zu einer weiteren Belastung nicht nur für Grundstückseigentümer, sondern auch für Mieter führen. Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung in diesem Bereich.
Gute Nachrichten für Camper
Campen ist ja ohnehin kein so billiges Vergnügen mehr, und dann droht auch noch manche Gemeinde mit der Steuerkeule Zweitwohnungssteuer. Gute Nachrichten zu diesem Thema gibt es vom OVG Schleswig Holstein (Urteil v. 08.03.2018, Az. 2 LB 97/17 und 2 LB 98/17). Das Gericht urteilt: Auf Dauerstandplätzen aufgestellte Mobilheime können nicht ohne weiteres als Zweitwohnungen angesehen werden. Wenn eine Gemeinde auf Mobilheime eine Zweitwohnungssteuer erheben will, muss sie dies in ihrer entsprechenden Satzung ausdrücklich regeln und bestimmte Mindestmerkmale der Ausstattung festlegen. Quelle: OVG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung v. 08.03.2018.
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