Es wird ernst – Steuerwunschzettel, obwohl (noch) gar kein Wahlkampf ist
Da ist ja einiges ins Rollen gekommen seit der Ankündigung von Frau Merkel, nicht mehr für den CDU-Vorsitz zu kandidieren.
Der Zehnpunkteplan von Herrn Wirtschaftsminister Altmaier, der unter anderem immerhin eine Reduzierung der Nachzahlungszinsen von 6% auf 3% und die Abschaffung des Soli ins Gespräch gebracht hat, ist heute schon praktisch von vorgestern. Der BDI fordert unter anderem eine spürbare Absenkung der Unternehmenssteuerlast von 30% auf 25%. Und auch die CDU-Mittelstandsvereinigung in Person ihres Vorsitzenden Carsten Linnemann fordert nun laut, der Soli müsse „komplett“ weg. Noch am 19. Oktober, also ein paar Tage vor Beginn der „Merkel-Dämmerung“ am 29. Oktober, hatte der Finanzausschuß Anträge der FDP und der AfD zur Abschaffung des Soli ganz umstandslos von der Tagesordnung abgesetzt…
Da wir keine Politiker sind, meinen wir, das ist alles noch viel zu wenig. Aber deswegen sind wir wohl auch als Politiker ungeeignet. So verfolgen wir als Zaungäste mit Spannung, wie es nun weitergeht in der steuerpolitischen Diskussion. Spannend auch zu sehen, ob der aus der Versenkung aufgetauchte Herr Merz sein immer noch aktuelles Thema der durchgreifenden Steuervereinfachung nochmals auf die Tagesordnung der Bundespolitik wird hieven können. Wenn er das tatsächlich schaffen würde, sollte man dem 1,98er Mann auch endlich den Titel „Friedrich der Große“ zuteil werden lassen!
EuGH-Urteil zur Akteneinsicht im Besteuerungsverfahren
Ein umfassendes Recht des Bürgers auf Einsicht in die Steuerakten besteht nach Auffassung unserer Finanzverwaltung nicht. § 91 AO räume dem Steuerpflichtigen lediglich einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung ein, ob ihm Akteneinsicht gewährt wird oder nicht. Im Klartext bedeutet das: Kein Anspruch! Auch im Rechtsbehelfsverfahren (§ 364 AO) besteht nur ein Anspruch auf Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen und nicht auf explizite Akteneinsicht. Erst im finanzgerichtlichen Klageverfahren (§ 78 FGO) hat der Gesetzgeber einen Anspruch auf Einsicht in die Akten des Finanzgerichts, die auch die Akten des Finanzamts umfassen, geschaffen. Auch für das Steuerstrafverfahren (§ 147 StPO) gibt es einen Anspruch auf Akteneinsicht. Für die Praxis bedeutet das: Die Finanzämter mauern, wenn es um Akteneinsicht geht, und setzen darauf, daß der Steuerbürger den Gang zum Finanzgericht scheut.
Ein neues Urteil des EuGH wird möglicherweise Bewegung in diese Fragestellung bringen. Der EuGH hat geurteilt, dass auf Antrag ein Zugang zu den Informationen und Dokumenten möglich sein muß, die in der Verwaltungsakte enthalten sind und die von der Behörde für den Erlaß ihrer Entscheidung berücksichtigt werden (Urteil v. 9.11.2017, Aktenzeichen: C-298/16). Der EuGH lässt eine Ausnahme nur zu, wenn eine Beschränkung der Akteneinsicht durch Ziele gerechtfertigt ist, die dem Gemeinwohl dienen. Das bedeutet: Im Regelfall hat der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Akteneinsicht. Nur im Ausnahmefall – den das Finanzamt begründen muss – kann es die Akteneinsicht ablehnen. Wir meinen: Durch die Akteneinsicht könnte manches unnötige Einspruchsverfahren und mancher Finanzgerichtsprozeß vermieden werden und begrüßen den Urteilsspruch des EuGH daher sehr.
Wahrscheinlich wird der schiere Hinweis auf das Urteil auf absehbare Zeit aber noch nicht ausreichen, das Finanzamt zur anstandslosen Öffnung seiner Akten zu bewegen. Dennoch ist das Urteil Teil eines großen Trends hin zu mehr Transparenz. Auch aus dem Informationsfreiheits- und Informationszugangsgesetz haben deutsche Gerichte bereits einen Anspruch auf Akteneinsicht hergeleitet (OVG Schleswig, Urteil v. 6.12.2012, Az. 4 LB 11/12). Allerdings mußte der Steuerpflichtige auch hier erst vor das Verwaltungsgericht ziehen, bevor ihm ein solcher Anspruch eingeräumt wurde. Wir meinen: Die Zeiten, in denen eine Behörde ihr Hoheitswissen vor dem Bürger geheim halten kann, gehören der Vergangenheit an. Es wäre deshalb sehr zu begrüßen, das Recht auf Akteneinsicht im Besteuerungsverfahren endlich in die Abgabenordnung aufzunehmen.
Frist verpaßt, weil der Zusteller unzuverlässig war?
Die Regelungen zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten stammen aus einer Zeit, als die Deutsche Bundespost für die Beförderung von Briefen noch das gesetzliche Monopol hatte und man regelmäßig davon ausgehen konnte, dass ein Brief innerhalb von drei Tagen den Empfänger erreicht. Heutzutage ist die Post privat organisiert und arbeitet nicht selten mit Subunternehmern, die mit hohem Zeitdruck unterwegs sind und ihre Arbeit mehr schlecht als recht geregelt bekommen. Da kann es schon einmal passieren, daß ein Steuerbescheid erst mit zwei Wochen Verspätung im Briefkasten liegt. Zwar hat man dann immer noch vier Wochen Zeit für den Einspruch. Aber die Finanzämter tun sich oft schwer damit, einen Einspruch zu akzeptieren, der fünf oder sechs Wochen nach dem Datum des Steuerbescheids eintrudelt.
Der BFH hat nun mit Urteil vom 14.06.2018 (III R 27/17) entschieden, dass die sogenannte Zugangsvermutung für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte zwar grundsätzlich auch bei der Übermittlung durch private Postdienstleister gilt. Allerdings ist bei einem Streit über eine Fristversäumnis nach dem Urteil des BFH zu prüfen, ob dessen organisatorische und betriebliche Vorkehrungen ausreichen, um einen Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen sicherzustellen. Denn im Rahmen der Lizensierung privater Postdienstleister werde die Einhaltung konkreter Postlaufzeiten grundsätzlich nicht geprüft. Daher müsse im Streitfall ganz konkret ermittelt werden, ob nach den bei dem privaten Dienstleister vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden könne. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Postdienstleister seinerseits weitere Subunternehmer zwischenschaltet, wie es in Deutschland mittlerweile üblich ist. Bei Diskussionen um die Einspruchsfrist kann dieses Urteil sehr hilfreich sein, meinen wir.
Traurige Nachricht – Strafschätzungen des Finanzamtes sind wirksam
Der X. Senat des BFH hat mit seinem Beschluss vom 6.8.2018 (X B 22/18) zu großem Verdruß bei Steuerberatern und Steuerpflichtigen beigetragen. Er hat ausgeführt, dass die bloße Absicht der Finanzbehörden, den Steuerpflichtigen durch ein Schätzungsergebnis zu sanktionieren („Strafschätzung“), für sich genommen noch keine Nichtigkeit des Steuerbescheides auslöst. Hinzukommen muss nach Auffassung des X. Senats, dass die Schätzung der Finanzbehörden objektiv fehlerhaft ist. Damit hat der BFH die Hürden für den Steuerpflichtigen weiter erhöht, offensichtliche „Mondschätzungen“ der Finanzämter, die nach unseren Erfahrungen leider nicht ganz selten vorkommen, auch nach der Einspruchsfrist noch elegant aus dem Weg zu räumen. Gerade bei derart schmerzhaften Schätzungsbescheiden ist es also von ganz entscheidender Bedeutung, den Einspruch fristgerecht einzulegen.
EuGH-Urteil zum Lebensabend im Ausland und Erbrecht
Nach bislang herrschender Meinung war es vom Grundsatz her unstrittig, daß man – vereinfacht gesprochen – das deutsche Eherecht mit ins Ausland nehmen konnte, wenn man zum Beispiel seinen Ruhestand im warmen Süden verbringen will. So war es bisher auch „state of the art“, daß der überlebende Ehepartner nach § 1371 BGB Anspruch auf den sogenannten „pauschalen Zugewinnausgleich“ hatte, also auf ¼ des Erbteils neben den Erben erster Ordnung. Im Ergebnis erhält der Ehegatte damit (vorbehaltlich eines Testaments) neben den Kindern ein Erbteil von ½ des Nachlasses.
In seinem Urteil vom 01.03.2018 (sogenannte Mahnkopf-Entscheidung, C-558/16) kommt der EuGH zu dem Ergebnis, daß § 1371 BGB keine eherechtliche, sondern eine erbrechtliche Regelung ist. Wenn aber der Erbfall etwa wegen Wohnsitzverlegung unter ausländisches Recht fällt, dann findet der pauschale Zugewinnausgleich nach deutschem Recht auch keine Anwendung mehr. Das Urteil des EuGH räumt mit der bislang in Deutschland herrschenden Meinung gründlich auf und sollte von Ehepaaren mit Auslandswohnsitz für Zwecke der Nachfolgeplanung unbedingt beachtet werden.
Onlinehandel und Steuern
In der vorigen Ausgabe hatten wir von der Gesetzesinitiative der Bundesregierung in Sachen Onlinehandel berichtet. Auch darüber, daß nicht nur die ominösen Handelsplattformen aus Fernost, sondern auch jeder deutsche und europäische Teilnehmer auf Handelsplattformen unter die Gesetzesnovelle fallen mit der Folge, daß auch deren Daten von den Onlinemarktplätzen zur Verfügung gestellt werden müssen. Jetzt hat der EuGH ein erfreuliches Urteil zum Onlinehandel gesprochen: Ob man bei Online-Verkäufen als gewerblicher Händler eingestuft werden kann, hängt nicht allein davon ab, ob man dort regelmäßig auftritt oder nicht. Ausschlaggebend sei vielmehr, ob die Verkäufe Teil einer „gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit“ seien, so der EuGH (Az. C-105-17). Das bedeutet im Klartext: Die Privatperson, die regelmäßig ihren Haushalt über Ebay etc. ausmistet, hat mit dem Urteil des EuGH ein gutes Argument bei der Hand, wenn das Finanzamt an die Tür klopft und abkassieren will.
Luxuskreuzfahrten können Sozialneid wecken …
… auch bei Finanzbeamten. Der Bundesfinanzhof wird jetzt darüber zu entscheiden haben, unter welchen Umständen die Einladung zu einer Luxuskreuzfahrt Schenkungssteuern auslöst. Ein Steuerzahler hatte seine Lebensgefährtin zu einer fünfmonatigen Luxuskreuzfahrt eingeladen. Sehr großzügig war das. Der Mann war sogar nach einer Anfrage des Finanzamtes noch dazu bereit, einen Betrag von 25.000 EUR als Schenkung zu versteuern. Offensichtlich konnte er sich auch das noch leisten und wollte einfach seine Ruhe haben. Aber das war dem Amt zu wenig. Es sollte schon die Hälfte der gesamten Reisekosten sein, die besteuert werden müssen. Da wurde es dem Mann zu bunt und er ging zu Gericht. Das Finanzgericht Hamburg gab ihm recht und er brauchte keine Schenkungsteuer zu bezahlen. Das Finanzamt aber ist hart geblieben und der Fall wurde zur Revision zugelassen (Az. II 24/18). Wir halten Sie informiert …
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